Allerheiligen. Den Feiertag verbinden viele mit Nebelgrau und Spätherbstwetter. Die schmalen Friedhofswege sind vielleicht schon mit einer zarten Schneeschicht bedeckt und die Flamme der Kerze gibt ihr Bestes, um gegen das Dämmerlicht anzukommen. Sie bemüht sich darum, ein Zeichen zu setzen. Die Flamme bedeutet, dass die geliebten Verstorbenen noch immer in unseren Herzen sind und nicht vergessen werden. Das zu bezeugen ist den meisten an Allerheiligen ein Anliegen.

Ein armes „Zapfl“ treibt sein Unwesen
In einigen Tälern Südtirols hat man in dieser Zeit aber auch noch andere Aufgaben. Diese beginnen bereits einen Tag vor Allerheiligen, am 31. Oktober. An dem Tag, wo Andernorts Halloween gefeiert wird, machen sich die Ultner Kinder am Abend mit Hut, blauem Schurz und Rucksack bewaffnet auf eine „Lotter-Mission“. Sie rufen nicht „Süßes oder Saures“, sondern betteln mit ihren einstudierten Gedichten um süß-saftige Krapfen! Heißt ja nicht umsonst „Kropfenlottern“. Ein alter Brauch, der haarscharf vor der Vergessenheit stand und nun, dank der jungen Generation, wieder mehr an Bedeutung gewinnt.
Frau Gamper Marlene, von Haus Grünfeld im Ultental erinnert sich gerne an die Sprüche der „Lotterer“:
Mir kemmen ve Proveis,
über Schnea und Eis,
über Stial und Bänk
und sein grennt bis ze enk.
Muatterle, Voterle,
gebb ins a Krapfl,
mir sein an orms Lotterzapfl.
Gebb ins a Löffele voll Fill,
nor sein mer gschwing still,
oder an Pfonnefleck,
nor gian mir enk ve die Wänd aweck.
Henne oder Hase?
Ausschlafen kommt jedoch nicht in Frage, denn am nächsten Tag steht der Friedhofsbesuch an. Die meisten Kinder freuen sich auf die Geschenke der Paten zu Allerheiligen. Zwischen Schleifen und Paketen kommt in einigen Gemeinden auch eine schmackhafte „Fochaz“-Henne oder ein „Fochaz“-Hase, ein süßes Hefegebäck, mit zu den Gaben. Traditionsgemäß darf sich das Paten-Mädchen über die Henne und der Paten-Junge über den Hasen freuen. Wie so oft kommt der Brauch aus Großmutters Zeiten: Da man früher kein Geld für teure Geschenke hatte, beschenkte man das Patenkind eben mit einer süßen Mahlzeit. Ein Zeichen dafür, dass das Kind bei den Paten niemals Hunger leiden müsse.

Ruhige Zeit? Nicht unbedingt ...
Der 2. November, Allerseelentag, steht ebenfalls unter dem Zeichen der Andacht für die Verstorbenen. In der Stadt Glurns hat man das aber komplett vergessen: Hier ist nämlich der jährlich größte Markt des Oberen Vinschgaus im Gange, der „Sealamorkt“! Innerhalb der Stadtmauern haben Händler ihre Stände aufgestellt und preisen lautstark ihre handgemachten Sachen, traditionelle Leckereien und allerlei Kurioses zum Verkauf an. Einst war es ein Vieh- und Warenmarkt, um sich für den Winter einzudecken; heute ist es mehr ein Treffpunkt für Händler, Schnäppchenjäger und Einheimische, um gemeinsam bei einer heißen Tasse Glühwein zu lachen und diese dunkle Jahreszeit ein wenig aufzuhellen.
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